Von der Fraktionierung von Antibiotikadosen bis zur Phagentherapie: Entwicklungen im Kampf gegen AMR

Die antimikrobielle Resistenz (AMR) stellt seit einigen Jahren eine große Herausforderung für die globale Gesundheit von Mensch und Tier dar. Schon seit vielen Jahren stellt die Resistenz gegen antimikrobielle Mittel (AMR) eine große Herausforderung für die globale öffentliche Gesundheit dar. . Um dieser Herausforderung entgegenzutreten, hat sich die FAAG mit zahlreichen Aktionen im Kampf gegen AMR eingebracht. Ziel ist es, den Einsatz antimikrobieller Wirkstoffe, insbesondere von Antibiotika, zu verringern und zu optimieren, um die Entwicklung und Ausbreitung resistenter Keime zu verhindern.

In diesem Kampf ist ein sektorübergreifender Ansatz unerlässlich, da Mensch, Tier und Umwelt miteinander verbunden sind. Aus diesem Grund wurde der belgische nationale Aktionsplan „One Health“ zur Bekämpfung der Resistenz gegen antimikrobielle Mittel 2020-2024 ins Leben gerufen. Dieser aus zehn strategischen Achsen bestehende Plan umfasst operative Ziele und spezifische Maßnahmen. Vier der Ziele des operativen Plans (FR/NL)  betreffen direkt das AMR-Team der Abteilung vorschriftsmäßige Verwendung.

Arnaud Selvais – Sarah De Clercq – Karim Tamseddak

Verringerung des Antibiotikakonsums

Eines der Hauptziele ist die Senkung des Antibiotikakonsums im ambulanten Bereich in Belgien. Um dies zu erreichen, ist die Aufteilung der Antibiotikadosis eine der Möglichkeiten, die untersucht wurden. Diese besteht darin, dass den Patienten genau die Menge an Antibiotika zur Verfügung gestellt wird, die ihnen verschrieben wurde.

„Wir haben gemeinsam mit dem Landesinstitut für Kranken- und Invalidenversicherung (LIKIV), der GD Inspektion der FAAG, der Association Pharmaceutique Belge (APB) und dem Office des Pharmacies Coopératives de Belgique (OPHACO) eine umfassende Liste der zusätzlichen Schritte erstellt, die dies für die Apotheker bedeuten würde“, erklärt Arnaud Selvais.

Damit die Aufteilung funktioniert, ist die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren von entscheidender Bedeutung. Das LIKIV muss eine Preisgestaltung pro Einzelgabe ermöglichen und der FÖD Volksgesundheit muss die Ärzte dazu verpflichten, mit dem INN (internationalen Freinamen) zu verschreiben, d. h. dass sie auf dem Rezept den Namen des Wirkstoffs, die Dosis und die genaue Behandlungsdauer vermerken. Danach kann die FAAG die Abgabe der genauen Menge an Antibiotika über die Aufteilung auferlegen. Die entsprechenden Gespräche sind noch im Gange.

Verbesserung der Verfügbarkeit von Antibiotika

Eine zweite Maßnahme, die die FAAG im Kampf gegen AMR ergreift, ist die Verbesserung der Verfügbarkeit von Antibiotika. Der erste Schritt bestand darin, eine Liste der wesentlichen antimikrobiellen Mittel im belgischen Kontext zu erstellen. Karim führt aus: „Wir haben die Liste auf der Grundlage der Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erstellt. Diese Liste wurde nach Gesprächen mit einer Gruppe von Experten aus der Praxis, die in die belgische Kommission zur Koordinierung der Antibiotikapolitik (BAPCOC) eingebunden sind, an die belgische Situation angepasst. Im Laufe dieser Gespräche legten wir auch für jeden wesentlichen Stoff eine Wichtigkeitsstufe fest, aufgrund derer an der Verbesserung der Zugänglichkeit des jeweiligen Stoffs gearbeitet werden sollte. Wir haben diese Liste als Grundlage für eine Bestandsaufnahme der Arzneimittel verwendet, die mit diesen wesentlichen Wirkstoffen im Zusammenhang stehen. Wir werden unsere Analyse fortsetzen und verfügbare Daten wie den Lebenszyklus des Arzneimittels und Meldungen über Nichtverfügbarkeit auswerten, um die Anfälligkeit der Lieferkette dieser Arzneimittel zu bewerten.“

Sarah De Clercq fügt hinzu: „Unsere Analyse der Lieferkette beruht auf einer Studie der europäischen Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (HERA – Health Emergency Preparedness and Response Authority). In diesem Zusammenhang haben wir vor Kurzem einen Dialog mit der GD HERA aufgenommen, um die Möglichkeiten der Nutzung unserer jeweiligen Informationen zu erörtern.“ Parallel zu dieser Arbeit teilt die FAAG den Angehörigen der Gesundheitsberufe mit, wenn eine antimikrobielle Innovation auf dem belgischen Markt eingeführt wird.

Entwicklung von Alternativen

Eine dritte Maßnahme im Kampf gegen AMR ist die Entwicklung von Alternativen zu Antibiotika, wie etwa die Phagentherapie. Die Entwicklung von Alternativen zu Antibiotika wie die Phagentherapie stellt einen vielversprechenden Ansatz dar. Bei dieser Methode werden Bakterien infizierende Viren, die sogenannten Bakteriophagen (auch Phagen genannt), eingesetzt. Bakteriophagen sind nicht in der Lage, menschliche Zellen zu befallen. Diese Methode wird in Belgien bereits bei der Behandlung bestimmter bakteriell bedingter Infektionen eingesetzt. Arnaud meint: „Belgien spielt auf europäischer Ebene eine Vorreiterrolle bei der Anwendung der Phagentherapie. Der Vorteil eines Bakteriophagen ist, dass er hochspezifisch ist und nur die Stämme einer bestimmten Bakterienart zerstört, wodurch das Risiko unerwünschter Wirkungen stark eingeschränkt wird. Leider werden Bakteriophagen derzeit hauptsächlich als letztes Mittel eingesetzt, wenn die Behandlung mit Antibiotika nicht funktioniert hat.“

Die Entscheidung für diese Behandlung obliegt dem Arzt, der die Phagentherapie verschreiben kann.

Wenn dies der Fall ist und der Patient die strengen Bedingungen für die Bewilligung erfüllt, liefert das Militärhospital Königin Astrid (MHKA) den Antragstellern –falls verfügbar – Bakteriophagen, die genau das Bakterium befallen, das die Infektion verursacht. Darüber hinaus werden alle vom MHKA gelieferten Bakteriophagen in den Labors von Sciensano analysiert, um ihre Qualität zu gewährleisten. Anschließend stellt der Apotheker daraus eine magistrale Zubereitung (eine Verdünnung) her. Mit der Phagentherapie sollen Antibiotika nicht ersetzt werden, sondern soll ein ergänzendes therapeutisches Instrument zur Verfügung stehen.

Auch in der Veterinärmedizin kann die Phagentherapie eine wertvolle Ergänzung zu Antibiotika sein, die den Einsatz von Antibiotika verringern kann; daher gibt es auch regelmäßige Konsultationen zwischen human- und veterinärmedizinischen AMR-Kolleginnen und -Kollegen.

Identifizierung geeigneter Geschäftsmodelle

Sarah erklärt die aktuelle Situation: „Es wird oft gesagt, dass der Antibiotikamarkt kaputt ist, weil es seit Jahrzehnten kaum noch Innovationen gibt. Um diesen Trend umzukehren, ist es von entscheidender Bedeutung, Anreize für Investitionen durch die Pharmaindustrie zu schaffen.“ Für dieses Ziel mussten die bestehenden Geschäftsmodelle und die verschiedenen möglichen wirtschaftlichen Anreize weltweit untersucht werden.

„Es ist wichtig, über Fachwissen zu diesen verschiedenen Modellen zu verfügen, damit die Entscheidungsträger deren Machbarkeit für Belgien beurteilen können“, sagt Karim.

Sarah erklärt: „Im Rahmen der oben genannten Ziele arbeiten wir auch mit anderen europäischen Ländern in einer ‚Gemeinsamen Maßnahme‘ EU-JAMRAI 2 (European Union Joint Action on Antimicrobial Resistance and Healthcare-Associated Infections) zusammen. Unser Team hat übrigens in Zusammenarbeit mit Sciensano einen dreitägigen Einführungsworkshop zu einem Arbeitsbereich, in dem wir tätig sind, organisiert.“

Von der Vereinbarung zu sichtbaren Ergebnissen: Bekämpfung der Antibiotikaresistenz bei Tieren

Antibiotikaresistenzen betreffen nicht nur Menschen, sondern stellen auch eine ernsthafte Bedrohung für den Tierschutz dar. Das Büro Antibiotikaresistenz der GD PRÄ Genehmigung arbeitet im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen bei Tieren eng mit der Branche zusammen. Auch sie gehen von dem nationalen Aktionsplan gegen AMR aus. „Auf nationaler Ebene wurde im Anschluss an die erste Antibiotika-Vereinbarung von 2016 im Jahr 2021 eine zweite Antibiotika-Vereinbarung ausgearbeitet. Diese Vereinbarung wurde zwischen den Ministern für Landwirtschaft und Volksgesundheit, vertreten durch die FAAG, die FASNK (Föderalagentur für die Sicherheit der Nahrungsmittelkette) und den FÖD Volksgesundheit, AMCRA (Antimicrobial Consumption and Resistance in Animals; das Wissenszentrum für Antibiotikaeinsatz und -resistenz bei Tieren) und den Akteuren (landwirtschaftliche Organisationen, Veterinärverbände, Vereinigung der Tierärzte, pharma.be, Belgian Feed Association, Verantwortliche für Lastenhefte und Tiergesundheitsverbände) geschlossen“, so Antita Adriaens.

Diese Vereinbarung enthält mehrere strategische und operative Ziele, aber auch allgemeine, numerische Zielvorgaben, bei denen es hauptsächlich um eine allgemeine Verringerung des Antibiotikaabsatzes geht. „Im Jahr 2022 sind die Verkaufszahlen von Antibiotika für Tiere im Vergleich zu 2011 um 58,2 Prozent gesunken“, erklärt Lies Van Nieuwenhove. „Damit haben wir unser Ziel, den Verkauf bis Ende 2024 um 65 % zu reduzieren und den gesamten Antibiotikaeinsatz bei Tieren in Belgien auf den europäischen Mittelwert zu bringen, fast erreicht. Die Zusammenarbeit zwischen der Industrie und der Regierung ist in dieser Hinsicht sehr wichtig. Es ist sicherlich nicht immer einfach, aber wenn wir zusammenarbeiten, können wir wichtige Schritte nach vorne machen.“

Guillaume De Cordes – Liesbeth Van Nieuwenhove – Inge Vandenbulcke – Cédric Maerckx

Zielsetzung und Berichterstattung in der Veterinärmedizin

„Eines der Ziele, an denen wir noch arbeiten müssen, ist die Verringerung der Zahl der sogenannten „Alarmnutzer“. Dies sind Tierhaltungsbetriebe mit strukturell hohem Antibiotikaeinsatz. Das Ziel für 2024 besteht darin, die Zahl der Alarmnutzer auf ein Prozent zu senken. Es bleibt noch einiges zu tun, aber dank der Unterstützung durch die Sektoren für der Lebensmittelgewinnung dienende Tierarten machen wir bereits positive Fortschritte“, erklärte Antita. Daher werden zusätzlich zu den Berichten über den Antibiotikaabsatz Benchmarking-Berichte für Halter und Tierärzte für der Lebensmittelgewinnung dienende Tierarten erstellt. Die Berichte, die von AMCRA auf der Grundlage der Verwendungsdaten für die einzelnen Tierkategorien erstellt werden, stehen den Haltern von der Lebensmittelgewinnung dienende Tierarten und Tierärzten zur Verfügung, damit sie gemeinsam überlegen können, wie ein umsichtiger Einsatz von Antibiotika im Betrieb erreicht werden kann. Aus der Verwaltung können wir zum Beispiel überprüfen, wie viele Alarmnutzer es gibt, welche Antibiotikaklassen verwendet werden und wo die besten Maßnahmen, wie z. B. Pflicht-Coaching, ergriffen wurden.

Seit dem Inkrafttreten der Verordnung 2019/6 für Tierarzneimittel im Jahr 2021 müssen die Mitgliedstaaten der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) auch die Verkaufs- und Verwendungszahlen für Antibiotika melden. Was die Verkäufe betrifft, so müssen alle Inhaber einer Genehmigung für das in den Handel bringen das jährliche Verkaufsvolumen für jedes Tierarzneimittel in die Tierarzneimitteldatenbank der Europäischen Union (Union Product Database, UPD) eingeben. Die Mitgliedstaaten selbst müssen der EMA rechtzeitig über die Verkaufsmengen bestimmter antimikrobieller Mittel Bericht erstatten. „Die Erfassung und Meldung von Verkaufsdaten auf europäischer Ebene hat den Vorteil, dass sie zur Überwachung der europäischen Farm-to-Fork-Strategie beiträgt. Auf diese Weise soll der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung und Aquakultur in Europa bis 2030 um 50 % reduziert werden“, so Lies.

Was die Verwendung betrifft, so erfolgt die Berichterstattung schrittweise: ab 2024 für Schweine, Rinder und Geflügel (alle Hühner und Truthähne), die der Lebensmittelgewinnung dienen. Ab 2027 muss die Berichterstattung auf alle der Lebensmittelgewinnung dienende Tierarten (Fische, Ziegen, Enten, Schafe, Kaninchen und alle Pferde, einschließlich der nicht der Lebensmittelgewinnung dienenden) ausgeweitet werden. Spätestens ab 2030 müssen auch Daten über Haustiere gemeldet werden. Um dies zu ermöglichen, wurde das VetAMRtool-Projekt ins Leben gerufen, das mit einer europäischen Förderung finanziert wird. Die Idee ist, eine automatische Verbindung mit dem Register IN und dem Register OUT des Depots von Tierarzt und Apotheke herzustellen. Auf diese Weise können Daten über den Verkauf und die Verwendung von Antibiotika mit einem möglichst geringen zusätzlichen Verwaltungsaufwand für die Tierärzte erhoben werden.

Begrenzung des Einsatzes von kritischen Antibiotika

Im Kampf gegen AMR bei Mensch und Tier ist es auch wichtig, den Einsatz kritischer Antibiotika zu begrenzen. Insbesondere in der Veterinärmedizin ist die Durchführung eines Antibiogramms oder einer Antibiotika-Resistenzbestimmung vorgeschrieben, bevor der Lebensmittelgewinnung dienenden Tierarten kritische Antibiotika verabreicht werden dürfen. Ab September 2024 wird diese Verpflichtung auf Haustiere und Pferde ausgedehnt. Dieser Test muss zeigen, welches Antibiotikum für die Behandlung der bakteriellen Erkrankung am besten geeignet ist. Ein kritisches Antibiotikum darf nur dann eingesetzt werden, wenn es die beste Option ist oder wenn es das einzige in Belgien zugelassene Antibiotikum ist. Dadurch wird verhindert, dass Bakterien gegen Antibiotika resistent werden, die für Mensch und Tier von kritischer Bedeutung sind. Wann immer möglich, muss ein unkritisches Antibiotikum gewählt werden. Entscheidet sich der Tierarzt oder die Tierärztin für den Einsatz eines kritischen Antibiotikums, auch wenn dies nicht durch ein Antibiogramm angezeigt ist, muss er oder sie dies immer sorgfältig begründen.

Die Antibiotikaresistenz kennt keine nationalen Grenzen und ist ein internationales Problem. Dank der engen Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Instanzen arbeitet die FAAG kontinuierlich an strukturellen Lösungen und engagiert sich weiterhin im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen. „Wir sind alle drei sehr leidenschaftlich bei diesem Thema. Ich bin sehr stolz auf mein Team. Arnaud und Karim haben sich intensiv mit dem Thema befasst und all ihre Recherchen sind für uns bei den Treffen mit unseren Partnern sehr hilfreich“, erläutert Sarah. Auch Antita und Lies können dies bestätigen: „Das Thema AMR ist sehr komplex. Daher ist es nach wie vor wichtig, alle Beteiligten angemessen zu konsultieren und mit ihnen zu kommunizieren. Gemeinsam konnten wir bereits großartige Ergebnisse erzielen, und das möchten wir auch in Zukunft fortsetzen.“

Unsere FAMHP-Expertinnen und -Experten

Sarah De Clercq, Arnaud Selvais und Karim Tamseddak bilden das Team Antimikrobielle Resistenz (AMR), das Teil das Büro Information der Abteilung vorschriftsmäßige Verwendung innerhalb der GD POST Genehmigung ist. Sarah leitet das Büro Information und ist Koordinatorin für AMR in der Humanmedizin. Arnaud und Karim sind Sachbearbeiter für den Themenbereich AMR in der Humanmedizin.

Antita Adriaens ist Leiterin der Büro Antibiotikaresistenz in der Abteilung Tierarzneimittel und arbeitet mit Lies Van Nieuwenhove und ihren Kolleginnen und Kollegen an der Umsetzung von Projekten im Zusammenhang mit der Gesetzgebung, wie der neuen Tierarzneimittelverordnung 2019/6. Aber auch an der Umsetzung und Koordinierung von Maßnahmen zu Antibiotika, die im nationalen Aktionsplan zu AMR enthalten sind.